Grundlagen Digitaltechnik Teil 4

Grundlagen

Digitaltechnik im Klartext, Teil 4

Wie wir bisher erkannten, steht und fällt die Qualität digitaler Aufnahme- und Wiedergabe mit der verwendeten Wandlertechnologie; auch wurde deutlich, daß neue Formate nicht á priori „besser“ sind oder sein müssen. Gleichwohl kommt ständig Neues auf uns zu, mit dem wir leichter umgehen, das wir sicherer bewerten können, wenn gewisse Hintergründe deutlich sind.

Blue ray

Von Sony wurde mit der Spezifikation 3.0 der Blue Ray Disk ein weiteres neues Audio-Disk-Format geschaffen, welches sowohl für Stereo als auch bis zu 8-Kanal-Multichannel ausgelegt ist, welches, nach näherer Betrachtung der Lage, das früher stark propagierte 1-Bit-DSD-Format der SACD gar nicht mehr enthält. Statt dessen werden Linear-PCM für unkomprimierte Audiodaten sowie DTS-HD-Master-Audio und Dolby True HD als sogenannte „losless encoding“-Formate eingesetzt. Es bleibt abzuwarten, ob es gelingt – oder überhaupt beabsichtigt ist -, innerhalb der Referenzklasse Blue-Ray-Player anzubieten, die sich wirklich als „masterbandreproduktionsfähig“ erweisen. Die alleinige Verwendung einer erweiterten nominellen Datentiefe von 24 Bit in Verbindung mit der höheren Samplingfrequenz von 96 oder 192 kHz sagt allein noch relativ wenig über die tatsächlich damit realisierte Audioqualität eines Wiedergabegerätes aus: höhere Samplingfrequenzen vereinfachen bzw. begünstigen allerdings die Freiheiten der Entwickler, eine Pre-Ringing-arme Filterlösung zu applizieren. Ungünstige Filterdesigns bei der A/D- als auch D/A-Wandlung können ein sogenanntes Pre-Ringing erzeugen, welches dann  zu einer veränderten akustischen Wahrnehmung von Impulsen führen kann, da unser Ohr nichtlinear hört. Eine Verbesserung des Pre-Ringing-Verhaltens eines Digitalfilters kann zum einen durch eine Erhöhung der Abtastrate und somit einer Erhöhung der Bandbreite eines Filters ODER durch ein aufwendigeres Digitalfilter geschehen, welches bereits bei Samplingfrequenzen von 44,1/48kHz eben keine Signale abgibt, die unser Gehör in Richtung der „falschen“  Impulswiedergabe „irritieren“ – wobei die letztere Lösung zumeist bislang nur hinreichend in Top-End-Wandlersystemen der Profiklasse verwirklicht ist. Fraglich bleibt, ob ein reines Distributionsmedium, welches im Prinzip lediglich „nur“ das von der Tonregie auf das für die Heimtonwiedergabe bestenfalls physikalisch sinnvolle Dynamikmaß von maximal 55 – 60 dB „begrenzte“ bzw. optimierte Musikprodukt enthält, noch sinnvoll auf 24 Bit Datentiefe erweitert werden muß, zumal der Dynamikbereich eines sehr guten 24-Bit-Audiodatei noch weiter als heute schon bei der CD über den tatsächlich auf Heimtonträgern aktiv genutzten Dynamikbereich hinausgeht. Theoretisch schaden könnte eine 24-Bit-Distributionsform insbesondere in Hinblick auf den heutigen Workflow im Bereich der Tonträgererzeugung natürlich nicht, da mehr als ein Dutzend verschiedener Wortbreitenreduzierungsalgorithmen am Markt erhältlich sind, die eben nach einer Umrechnung einer 32-Bit- oder 24-Bit-Datei in eine 16-Bit-Datei nicht alle neutral klingend arbeiten. Der Autor dieser Zeilen hat dahingehend mit dem in Magix Samplitude 10 enthaltenen Algorithmus mit dreiecksverteiltem Rauschen allerbeste Erfahrung gemacht.

Fakten

Es sei hier noch einmal erwähnt, daß bereits mit der CD praktisch seit mehr als 25 Jahren im Prin­zip klangtechnisch das fertig bearbeitete originale Stereomaster an den Kunden weitergereicht wer­den kann und jeder Kunde seitdem nur durch die jeweilige Qualität der individuell eingesetzten D/ A-Wandler prinzipiell selbst entscheidet, inwie­weit dieser klanglich an die im CD-Format bereits „eingebaute“ Masterbandqualität herankommt. Die tatsächlich erzielte Wiedergabequalität steht und fällt – völlig unabhängig von der jeweiligen Gerätegattung und -bezeichnung – auch weiterhin mit dem Niveau der technischen Gesamtaus­legung der eingesetzten Geräte, deren am Markt erhältliche Qualitätsbandbreiten auch heute noch besonders hoch sind. Die Tonqualität in digitalen Systemen hängt primär von der konkreten Quali­tät der Analog-Digital- als auch Digital-Analog­wandlung und nicht von der eigentlichen Bezeich­nung des Trägerformates an sich ab. Alter Wein in neuen Schläuchen? Mitnichten – was alle Distributionstonträger, die nach der CD ent­wickelt wurden, vor allen Dingen miteinander ver­bindet, ist in der täglichen Praxis keineswegs die tatsächliche Verbesserung der Audioqualität, die unter Einsatz von sorgfältig entwickelter, korrekt funktionierender Wandlertechnik bereits mit der CD nichts mehr zu wünschen übrig ließ, sondern vielmehr die Anstrengungen zur Ausgestaltung und Durchsetzung eines mehr oder minder rigiden Kopierschutzes, der das elektronische Verbreiten, das direkte verlustfreie Kopieren auf digitaler Ebene oder ein sogenanntes „Rippen“ unkompri­mierter wav-Dateien auf Festplatte effektiv zum Schutze der Musikindustrie und Künstler – grund­sätzlich berechtigt – eindämmen sollte. Die Grup­pe der High-Ender und der wahrhaften Musik­enthusiasten gehört allerdings weniger zu den viel­zitierten Raubkopierern und Übeltätern: High ­Ender und Musikenthusiasten sind im allgemeinen stolz auf ihr nicht selten umfangreiches privates Tonträgerarchiv, insbesondere auf Veröffent­lichungen, für die man, um ihrer habhaft zu wer­den, seinerzeit beschwerliche Wege (und Kosten!) auf sich nahm. Folglich findet ein freizügiges Wei­terkopieren für die „Allgemeinheit“ am Ende auch eher selten statt. Der High-Ender sollte sich auf die Medien kon­zentrieren, mit denen wir generell ein Höchstmaß an Systempermeabilität in Verbindung maximaler Geräte- sowie schnittstellentechnischer Flexibilität besitzen und zudem praktisch das klanglich beste Wiedergabesystem aufbauen und betreiben kön­nen. In der Summe der Möglichkeiten hat sich da- bei die handelsübliche CD neben der LP vollends bewährt. Glücklicherweise hat Sony mit der Hy­brid-SACD kurze Zeit nach SACD-Markterst­einführung dieser eine PCM-CD-Spur nach Red­Book-Standard mit auf den Weg geben „müssen“, die von jedem CD-Player bzw; CD-Laufwerk auch problemlos abgespielt werden kann, so daß der Käufer einer Hybrid-SACD im Prinzip auch damit gleichzeitig eine „normale“ PCM-Audio-CD erworben hat. Der Autor dieser Zeilen ist natürlich auch undogmatischer Besitzer einiger Hybrid-­SACDs – insbesondere von Veröffentlichungen, die es eine Zeit lang nicht auf herkömmlichen Audio-CDs zu kaufen gab oder gar nie als reine Audio-CD veröffentlicht wurden. Was zählen soll­te, ist der Künstler und seine Musikdarbietung, die ich – wen sollte es nach meinen Ausführungen noch wundern – ausschließlich über die PCM-Au­dio-Spur der jeweils gerade im CD-Laufwerk befindlichen Hybrid-SACDs genieße. Erst kürz­lich führte ich mit Hilfe „amtlich“ geltender Wie­dergabegerätschaften einen klanglichen Vergleich zwischen der Original-Decca-LP und der ersten 1987er CD-Ausgabe von Puccinis „Madame But­terfly“ durch, die im Januar 1974 unter Herbert von Karajan analog mit dem Decca-Produzenten Christopher Reaburn in den Wiener Sophiensälen eingespielt wurde. Der klangliche Vergleich zeigte deutlich, daß professionelle Digitaltechnik, wie sie vor fast einem viertel Jahrhundert zur Digitali­sierung analoger Masterbänder bei den großen Plattengesellschaften – in diesem Fall bei der Dec­ca – zum Einsatz kam, vollends in der Lage war, den musikalischen Inhalt der analogen Master­bänder vollends auf das Medium CD transferieren zu können! Geschichten von hart oder schrill klin­gender Digitaltechnik entstammten bereits zu die­ser Zeit eher der eines Ammenmärchens als den tatsächlichen Gegebenheiten. Nicht die 16-Bit­-Auflösung der Audio-CD führt zu einem klang­lichen Problem oder stellt ein wirkliches Manko dar, sondern die technisch-akustische Qualität der jeweils zum Einsatz gekommenen Wieder­gabegeräte, mit denen man das „Klangproblem“ der Audio-CD meinte festzustellen. Ein technisch und qualitativ kerngesundes Kind wie die CD soll­te keinesfalls vorschnell mit dem Bade ausgeschüt­tet werden! Des weiteren muß man gerade heutzutage beachten, daß eine sehr große Anzahl neuproduzierter CDs erheblich manipuliert daherkommt: Das Stichwort ist „loudness race“ und bezeichnet die dynamische Kompression der Musiksignale ein­hergehend mit weiteren negativen Maßnahmen.

 

Dynamikwerte bildlich dargestellt

Die Wellenformdarstellung ist eine errechnete „abstrakte“ optische Darstellung des Verlaufs und der Struktur des Audiosignals. Aus physikalischer Sicht erzeugt der Interpret durch seine Stimme oder unter Verwendung eines Musikinstruments ein Audiosignal in Form einer Luftdruckschwin­gung, die sich um ihre Quelle verbreitet und schließlich den Hörer erreicht. Graphisch kann ei­ne solche Luftdruckschwingung als Wellenform dargestellt werden. Aus der Wellenformdarstellung von Audiosignalen können wir den Amplituden ­bzw. Lautstärkeverlauf (gedachte Y-Achse) erken­nen und in manchen Fällen an den Stellen, wo die Amplitude besonders abrupt ansteigt, auch die Positionen der Einsatzzeiten lokalisieren. Die In­formation über die Tonhöhen bleibt aber in der Wellenform versteckt. Die gedachte Y-Koordinate stellt den Signalpegel dar und die gedachte X-Ko­ordinate ist der Zeitverlauf in der Darstellung. Am schnellsten erschließt sich die verwertbare Infor­mation einer Wellenformdarstellung dem gele­gentlichen Anwender, wenn Wellenformen von klanglich vollends gelungenen Referenzaufnah­men zum optischen Vergleich herangezogen wer­den. Da es sich bei Musiksignalen physikalisch im Prinzip um Wechselstrom handelt, muß das Signal in seiner Wellenform zwangsläufig auch den Null­punkt durchlaufen. Dieser befindet ist sich in je­dem Kanal in einer hier gedachten mittig liegen­den waagerechten Linie.

Eine „wurstförmige“ und sehr breite Wellenform­darstellung wie die unten aufgeführte Darstellung der beispielgebenden CD1, läßt über weiteste Strecken einen voll ausgesteuerten Signalpegelver­lauf erkennen. Messungen der Dynamik-Range- Werte (DR) ergaben, daß die durchschnittliche Dynamik nur noch 4 dB (DR) beträgt, d.h., daß zwischen dem lautesten und leisestem Ton der CD1 im Durchschnitt nur noch 4 dB liegen, wobei 3 dB gerade eine Lautstärkeverdoppelung bedeu­tet.

Zum Vergleich sehen wir die Bildschirmdarstel­lung der ohne jegliche Manipulationen gemaster­ten beispielgebenden CD2 (unten). Diese Aufnah­me wurde ohne Einsatz von Kompression und Limiting produziert und auch ohne elektronisch er­zeugte Töne. Es kommen also unbeeinflußte Klänge natürlicher Musikinstrumente zur Darstel­lung. Im Vergleich der beiden Wellenformdar­stellungen ist für den erfahreneren Betrachter zu erkennen, daß die auftretende Lautstärkedichte bei der unmanipulierten CD2 gegenüber der CD1 ins­gesamt deutlich geringer ist (ca. um den Faktor 16)1 Wellenformdarstellungen mit extrem hoher Lautstärkedichte, wie bei CD1 zu erkennen, wer­den durch extreme Kompression (Lautheitser- höhung von eigentlich leiseren Schallereignissen) und Limiting (Abfangen von Pegeln tatsächlich lauter Schallereignisse) heute nicht selten mit Hilfe beliebter DAW-Tools wie den Waves L2 Ultra­maximizer und den L3 Multimaximizer verwirk­licht. Die Skala der DR-Werte reicht von 1 – 20. Dabei gilt der Bereich 1 – 7 als schlecht, der Bereich von 8 – 13 stellt einen Übergangsbereich dar, während der Bereich von 14 – 20 als gut bewertet wird. All­gemein kann man sagen, je mehr Musik aus natür­lichen (und auch elektrisch verstärkten) Instru­menten besteht, desto höher sollte der DR-Wert im Interesse der Klangqualität liegen. Während Musikrichtungen rein elektronischer Natur, wie z.B. Techno, mit DR-Werten um 6 – 7 noch recht ordentlich klingen, sollte Rockmusik den Bereich von DR 10 – 13 nicht unterschreiten; und bei klas­sischer Musik sollte der angestrebte Wert zwischen DR 15 – 20 liegen. Betrachten wir nochmals die in Grafik 1 visuali­sierte CD1: So oder so ähnlich sehen heute sehr viele Tonträger aus. Das bedeutet, daß über weite Strecken der CD nur noch die digitale Vollaus­steuerung regiert: die berühmte „dicke ‚Wurst“. Bei Wiedergabe über D/ A-Wandler, die nicht über genügend „internen“ Headroom verfügen, kann es sogar zu einer weiteren Verzerrungserhöhung bei der Wiedergabe kommen. „Clever“ gegen die Verbreitung über Internettauschbörsen vorberei­tet, denn ein Konvertieren in MP3 würde im vor­liegenden Fall zu weiterer Erhöhung des ohnehin schon reichlich vorhandenen Verzerrungsniveaus führen. Ein Dynamik-Range-Wert von lediglich 4 bedeutet bei Instrumentalmusik den Verlust wich­tiger Informationen, führt zu unnatürlichem und lautheitsüberzogenem „Plastiksound“ und ist nicht akzeptabel – letzten Endes wird der Käufer getäuscht. Zum Vergleich dient die Wellenformdarstellung von CD2 (Grafik 2), welche die Ori­ginaldynamik einer Aufnahme mit kleinem En­semble enthält. Wir sehen in diesem Falle ein wun­derbar „zerklüftetes“ Wellenformdiagramm mit sichtbar großen Pegelunterschieden zwischen den leisesten und lautesten Schallereignissen der Auf­nahme. Mit einem DR-Wert von 15 verfügt diese Aufnahme über ein Maximum an dynamischer Luftigkeit – der Ton kann atmen. Das gewährlei­stet entspannten und qualitativ hochwertigen Hör­- und Musikgenuß – und wer es dennoch sehr laut mag, der drehe dazu ganz nach traditioneller Vorgehensweise einfach den LautstärkeregIer wei­ter nach rechts.


Untersuchungen

Im September 2007 wurde von Brad Meyer und David Moran in einem ENGINEERING REPORT der AES Convention das Resultat eines Versuches veröffentlicht, mit Hilfe eines ABX CS 5  „doppel blind“-Comperators die auditive Unterscheidbarkeit zwischen DVD-Audio-SACD kontra 16Bit/44,1kHz-Audio genauer zu untersuchen. Das Gesamtresultat betrug dabei 49,82% – die Gruppe der Tonschaffenden und High-Ender erreichten dabei gerade einmal 52,7%. Das Ergebnis belegt, daß keine signifikant sichere Erkennung zwischen dem Audiosignal direkt von SACD/DVD-Audio und demselben Signal, welches über einen 16-Bit/44,1khz-A/D-D/A-Loop geroutet wurde, möglich war. Der Versuch zeigte gleichzeitig, daß alle auf SACD und DVD-Audio veröffentlichten Stereoaufnahmen in gleicher Audioqualität auch auf einer CD hätten veröffentlicht werden können. Der nicht selten bessere Klang des Musikmaterials auf DVD-Audio- und SACD-Tonträgern gegenüber dem durchschnittlich auf CD veröffentlichten Musikmaterials liegt an der Tatsache, daß Tonmeister und Masteringingenieure für Veröffentlichungen auf SACD und DVD-Audio viel größere Freiheiten besaßen, den guten Klang einer Aufnahme auch zu bewahren und nicht durch zusätzliches Equalizing und Kompression das Tonmaterial auf sogenannte Massenkompatiblität zu trimmen – sprich: das Klangbild der Tonaufnahmen speziell für die Wiedergabe über audiotechnisch eher minderwertige Wiedergabegerätschaften zu „optimieren“ bzw. vorzubereiten. An dieser Stelle möchte ich dazu nocheinmal in Erinnerung rufen, daß der Durchschnitt der deutschen Bevölkerung heute Musik zumeist über mobile Speicherchip/festplattenbasierter Abspielgeräte, nicht selten „Made in China“, oder über eine heimische Stereoanlage hört, die einen durchschnittlichen Anschaffungspreis von ca. 550 Euro besitzt! Ich denke, an dieser Stelle sicher nicht weiter ausführen zu müssen, zu welcher Art klanglicher „Offenbarungen“ ein derartiges Equipment ausgelegt sein kann…

Die bereits heute gegebenen Auswirkungen werden Thema der Schlußbetrachtungen im nächsten  Teil sein.


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