Audiokabel ohne Schirmung oder doch ins Kloster ?

Seit langer Zeit gilt die  Abschirmung eines Audiokabels als ein selbstverständlicher und scheinbar unverzichtbarer Bestandteil jeder hochwertigen Signalverbindung. Manche Kabeltypen/Hersteller warten dabei sogar mit einem doppelten Abschirmgeflecht auf um damit besonders gut gegen eine Übertragung der „böse“ Störungen von außen auf das zu übertragende Signal zu verhindern.

Weit verbreitet ist bis heute die Auffassung, dass die Masse als Schirm benötigt werde, um Störungen abzuleiten.  Auf die Audiotechnik bezogenen sind induktiv und kapazitativ eingekoppelte Störungen sowie hochfrequente Störsignale in der Betrachtung wichtig. Induktive Störfelder passieren dabei ungehindert die Schirmung und wirken auf beide Tonadern ein. Somit ist gegenüber induktiven Störfeldern der Schirm faktisch nutzlos. Die Auswirkungen induktiver Störfelder lassen sich lediglich durch sehr kleine Abstände der Tonadern minimieren und durch deren Verdrillung kompensieren. Anders als bei induktiven Störungen kann eine Kabel-Schirmung gegenüber kapazitiven Störungen durchaus helfen. Die Störungen werden dann gegen Masse abgeleitet und koppeln nicht mehr in die Tonadern ein. Der Nachteil: Die Masse ist überall etwas verschieden….. Bereits im letzten Artikel “Klingende Netzkabel” oder der Trend zum “Edelstromkabel” wurde beleuchtet das eine veränderte Erdungssituation der Einzelkomponenten Ursache für ein verändertes Klangbild innerhalb einer Audioinstallation bilden kann. Dazu kommt erschwerend das gegen hochfrequente Störungen der Schirm in weitaus weniger Fällen, als oftmals angenommen, wirklich „ordentlich“ funktioniert. Es kann sogar dazu kommen, dass je nach einstreuender Frequenz die vermeintlich schützende Abschirmung sich als eine kapazitiv an die Tonadern gekoppelte Antenne auswirkt! Ohne eine Kabelabschirmung würde die kapazitive Störung direkt in die möglichst eng verdrillten Tonadern einkoppeln. Beide Tonadern werden von der Störung gleichermaßen addierend erfasst  und erscheinen dadurch als Gleichtaktsignal. Das Nutz- als Differenzsignal zwischen den symmetrischen Tonadern wird davon nicht betroffen. An dieser Stelle müssen wir nun für einen Moment das Kabel gedanklich verlassen und auf die Auswirkungen und Bedingungen der daran angeschlossenen Gerätehardware betrachten. Es wird an dieser Stelle zu einem unumgänglich Muß, das die Ein- und Ausgänge der an der Kabelverbindung beteiligten Gerätehardware eine ausreichend große Unsymmetriedämpfung aufweisen. Bei einer punktuell in eine Tonader einkoppelnde Störung wird es wichtig, dass der analoge Audioausgang eine sehr niedrige Ausgangsimpedanz besitzt, um diese Störung auch auf die andere Tonader koppeln zu können. Die Störung ist dann auf beiden Tonadern gleich groß und erscheint somit wieder als Gleichtaktsignal. Im AES Paper 5248 behandelte Stephen H. Lampen (Belden) im Jahre 2000 theoretisch den Transport von Audiosignalen über UTP Kabel. In dem AES Paper blieb es zunächst einmal Theorie, da die Firma Belden nicht über Audiogeräte mit einer Unsymmetrie-Dämpfung größer als 80 dB verfügte.

Ein spannendes Symposium im Kloster Banz sollte Jahre später die Theorie die von Stephen H. Lampen in besagten AES Paper formuliert wurde bestätigen. Ausrichter des Symposiums war die Firma Stagetec. Auf dem Seminar gab es zu diesem Thema eine kleine Vorführung mit 300 m ungeschirmten UTP-Kabel und einem angeschlossenen dynamischen Mikrofon. Ohne Frage stellt dieses ein Versuch mit extremen Mitteln zur Verdeutlichung der Theorie dar. Auf dem benachbarten Adernpaar lag zusätzlich ein Messton von 1 kHz und einem Pegel von 22 dBu! Selbst bei maximal möglicher Mikrofonverstärkung war der Messton nicht zu entdecken, weder traten Brummstörungen auf. Messtechnisch konnte dabei eine Übersprechdämpfung mit etwa 140 dB bei 1 kHz  ermittelt werden! Um die Frage nach dem Nutzen des Schirmes  dabei experimentell zu untermauern, wurde dazu die Störempfindlichkeiten auf verschiedenen Kabeln unter Verwendung von NEXUS-Baugruppen jeweils mit einem 120 m langen geschirmten Kat-5 S-STP-Kabel und einem 300 m langen Kat-5 UTP-Kabel getestet. Bei der Messung der Ausgangsspannungs-Unsymmetrie konnte das UTP-Kabel bis zu 30 dB bessere Werte als das S-STP-Kabel erreichen und trotz mehr als doppelter Länge. Ursache ist erwartungsgemäß die viel kleinere Massekapazität des UTP-Kabels. Unerwartete Ergebnisse brachten hingegen die Übersprechmessungen für benachbarte Kanäle. Hier konnte das ungeschirmte UTP-Kabel mit bis zu 20 dB besseren Werten aufwarten!

Kritisch wurde gezielt nach weiteren möglichen Nachteilen von UTP-Kabeln gesucht. Dazu wurde eine unsymmetrische Störquelle simuliert in dem  beide Adern mit einem leicht unsymmetrischen Signal beaufschlagt wurden und auch hierbei waren die Übersprechdämpfungen auf dem UTP-Kabel in weiten Bereichen um 35 dB besser! In dieser Versuchsanordnung wurde dann zusätzlich die Symmetrie auf die vom Pflichtenheft 3/5 verlangten Minimalwerte verschlechtert. Das führte bei dem S-STP-Kabel zu keiner Veränderung, da der Schirm dies verhinderte. Bei dem UTP-Kabel zeigten sich dagegen dramatische Veränderungen: Die Übersprechdämpfungen entsprachen etwa denen des S-STP-Kabels. Unterm Strich bedeuteten die Ergebnisse des Versuches, das mit hochqualitativen Ein- und Ausgängen – und nur dann – ungeschirmte UTP-Kabel als analoge Signalwege erheblich bessere Übersprechwerte als ihre geschirmten S-STP-Pendants zulassen. Gegenüber üblichen Audiokabeln verglichen stellt das für die Messungen verwendete S-STP-Kabel allerdings ein extrem hochwertiges Kabel dar! UTP-Kabel wären auch dann die bessere Wahl, wenn entweder der Audioeingang oder der Audioausgang nicht ganz so optimal wie das beim Test verwendete NEXUS-System wären (Ausgangswiderstand etwa 8 Ohm, parasitäre Massekapazität liegt im Bereich von einigen 10 pF – alle Werte übertreffen bei weitem die Forderungen des entsprechenden Pflichtenheftes), aber dennoch mindestens die Grenzwerte des Pflichtenhefts 3/5 erreichen. Der Einsatz geschirmter Kabel hingegen wird umso sinnvoller, je schlechter die Symmetrie der angeschlossenen Geräte oder je größer die parasitäre Massekapazität ist bzw. wenn keine Erdfreiheit gegeben ist.

Dieser Test ließ noch einmal sehr deutlich werden welchem absolut überragenden Einfluss die technische Qualität der Audiokomponenten im Vergleich zur Kabelfrage am Ende zukommt. Der nicht selten in den letzten Jahren vielbeschworene „Kabelklang“ stellt in Wirklichkeit nichts weiter dar, wie die Interaktion der Übertragungsstrecke mit den Ausgangs- und Eingangsparametern der beteiligten Audiokomponenten. Vielmehr „schlachten“ dabei die unterschiedlichen technischen Parameter unterschiedlicher Kabel die elektrotechnischen Schwächen mancher vermeintlich als hochwertig geltenden Audiogerätschaften aus…..

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